Ed Brubaker Comic-Bundle

Noch bis zum 13.01.2022 kann man bei Humble Bundle ein umfangreiches digitales Comic-Paket von Autor Ed Brubaker zu einem Schnäppchenpreis erwerben. Für 22,14€ erhält man 41 Bände, was nahezu dem gesamten Werk entspricht, das Brubaker seit 2012 bei Image Comics veröffentlicht hat. Wer die Spendierhosen anhat, kann auch gerne mehr zahlen, was dann humblebundlemäßig einem guten Zweck zu Gute kommt.

Humble Bundle ist ohnehin eine gute Sache. Seit vielen Jahren schnüren die dort tolle Comic-, Bücher-, Spiele-, und Softwarepakete, die für wenig Geld angeboten werden, im Prinzip: pay what you want. Anders als bei analogen Resterampen im Supermarkt, gibt es hier echt hochwertiges Zeug. Dieses Konzept geht auf und alle Beteiligten profitieren.Pluspunkt: Es wird generell auf Kopierschutz- und DRM-Methoden verzichtet. Die Bücher bekommt man als PDF, ePub, und CBZ (gezippte JPGs).

Das aktuelle Angebot gibt mir eine gute Gelegenheit, endlich mal Ed Brubaker und Sean Phillips zu preisen. Deren Werke stehen bei mir ganz oben in der Topliste. Brubaker arbeitete viele Jahre für DC und Marvel, bevor er 2012 zu Image ging, um dort seine eigenen Stories zu verwirklichen. Die Kollaboration mit Zeichner Sean Phillips geht zurück auf Batman: Gothic Noir aus dem Jahr 2001. Seit Brubaker für Image schreibt, arbeitet er fast ausschließlich mit Phillips zusammen. Diese langjährige Partnerschaft zahlt sich erzählerisch aus. Story, Text und Bild wirken immer wie aus einem Guss und stets habe ich das Gefühl, dass bei Brubaker und Phillips ein bischen mehr Geschichte auf einer einzigen Seite transportiert wird. Brubakers Spezialgebiet ist Crime. Verbrechen, Krimi, gerne hardboiled, oft mit Noir-Elementen versehen. Zudem hat er ein großes Horror-Epos und eine knackige Geheimagenten-Serie geschrieben.

Eine kleine Zusammenfassung der im Bundle enthaltenen Comics:

Scene of the Crime ist eine frühe Miniserie, die ursprünglich 1999 beim DC-Imprintverlag Vertigo erschien, hier als Image-Neuauflage von 2012 mit Extras enthalten. Es geht um den Privatdetektiv Jack, der beauftragt wird, eine verschwundene Frau zu finden. Die Spur führt schnell zu einer Hippie-Sekte, die in eine Erpressung verstrickt zu sein scheint. Nur ein Tag nachdem Jack die Frau aufgespürt hat, wird sie in ihrem Hotelzimmer erschossen, woraufhin Jack alles daransetzt, den Fall zu lösen. Die Story hat schon alle typischen Elemente, die Brubaker in späteren Comics wieder aufgreift und verfeinert. Noch etwas ungeschliffen und ohne die Zeichnungen von Sean Phillips, der hier nur die Zeichnungen von Michael Lark geinkt hat.

Criminal ist eine umfangreiche Serie, die 2006 gestartet ist und zu der Brubaker und Phillips seitdem immer wieder mal was Neues machen. Es handelt sich um moderne Hardboiled-Krimi-Kost, die klassische Klischees und Tropes auf schönste Weise zelebriert. Die Serie umfasst mehrere in sich abgeschlossene Story-Arcs und einige One-Shots und Graphic Novels, die über einen Zeitraum von mehreren Dekaden von zwei Gangster-Familien in einer fiktiven Stadt erzählen. Gilt zu Recht als das große Crime-Epos von Brubaker/Phillips und wurde mit drei Eisner-Awards ausgezeichnet. Das Humble Bundle enthält die komplette Serie mit Ausnahme der Graphic Novel Bad Weekend, die zum Verständnis aber nicht nötig ist.

My Heroes have always been Junkies ist eine der Graphic Novels, die zum Criminal-Universum gehören. Der Comic gibt einen Einblick in die Teenager-Zeit von Ellie, eine Nebenfigur aus einer früheren Criminal-Geschichte. Ein interessanter weiblicher Gegensatz zum Rest von Criminal, der sehr männlich geprägt ist. Allerdings macht der Titel klar, dass auch bei Ellie eher Tragik und Melancholie angesagt sind. Kann man auch gut völlig unabhängig von Criminal lesen. Steht für sich allein.

Fatale, erschienen zwischen 2012 und 2014 in vierundzwanzig Einzelheften bzw. fünf Sammelbänden, ist die Serie, die mich zu Brubaker und Phillips gebracht hat. Bisher meine Lieblingsserie der Beiden, was zugegebenermaßen auch am Thema liegt. Der Hauptplot dreht sich um Jo, eine mysteriöse Frau, die unsterblich zu sein scheint und der Männer auf fatale Weise verfallen, was nicht selten mit deren Tod endet. Doch Jo ist kein kaltblütiges Monster, sondern selbst eine Gefangene ihrer Anziehungskraft. Verzweifelt versucht sie dem jahrhundertealten Fluch zu entkommen, während sie vor dunklen Gestalten eines fanatischen Kultes flieht, der es auf sie abgesehen hat. Brubaker hat eine archetypische Femme Fatale in eine verschachtelte Story aus Noir-Krimi und kosmischem Lovecraft-Horror gesteckt. Das Ganze ist düster, blutig, sexy und in letzter Konsequenz auch zutiefst romantisch. Die Serie vereint alles, was im besten Pulp-Sinne fantastisch ist. Das Humble Bundle enthält die komplette Serie.

Velvet ist Brubakers extrem schicke Geheimagenten-Serie. Velvet Templeton arbeitet beim britischen Geheimdienst und deckt dort eine Verschwörung in den eigenen Reihen auf und rächt den Tod ihres Mannes. Ja, das ist James Bond, Modesty Blaise und Mission Impossible in einem. Alle typischen Elemente aus Geheimdienst-Thrillern werden hier erwartungsgemäß verarbeitet. Die Geschichte spielt in den 1980ern, springt aber immer wieder zu Ereignissen der vorherigen 40 Jahre. Verschiedene Handlungsorte rund um die Welt, Gadgets, Bösewichte, Verfolgungsjagden; es ist ein wilder Ritt, der mir viel Spaß gemacht hat. Velvet ist neben dem obigen Scene of the Crime der einzige Comic hier im Bundle, der nicht von Sean Phillips gezeichnet wurde. Verantwortlich für die Zeichnungen hier ist der großartige Steve Epting. Das Tüpfelchen auf dem i sind die Farben von Elizabeth Breitweiser. So sehr mir Sean Phillips einzigartiger Stil auch gefällt, für diese Art von flashiger Geheimagenten-Action waren Epting/Breitweiser genau die richtige Wahl. Ob regnerisches London, sonniger Bahamas-Strand, Karneval in Monaco, versiffter Hinterhof in Paris oder intime Bettszene im Hotelzimmer. Die Farben und Schatten sowie der Szenenaufbau machen Velvet zu einem außergewöhnlich stimmungsvollem Comic mit Filmcharakter. Brubaker hatte mit Velvet eigentlich noch einiges vor, sogar eine Fernsehserie war mal im Gespräch. Aber seit dem Finale des Comics in 2016 gabs in dieser Hinsicht keine Neuigkeiten. Das Humble Bundle enthält den kompletten Comic.

Wenn Fatale der Krimi für Horrorfans ist, dann ist The Fade Out der Krimi für Filmfans. Erzählt wird hier nämlich von einem Mordfall im Hollywood der 1940er Jahre. Der abgehalfterte Drehbuchautor Charlie Parish gerät zwischen die Fronten von korrupten Filmstudio-Bossen und dem FBI, während er versucht, den Mord an einer Schauspielerin aufzuklären. Ein klassischer Krimi, durch und durch Film Noir, der keinen ganz unrealistischen Blick auf die damalige Filmwelt wirft. Der Comic ist teilweise inspiriert durch Brubakers Onkel, dem Drehbuchautor John Paxton. Nach Fatale mein zweiter Lieblingscomic.

In Kill or be Killed erscheint dem depressiven jungen Mann Dylan eines Abends ein Dämon, der von Dylan von nun an verlangt, jeden Monat einen Menschen zu töten, wenn er weiterleben will. Die Ich-Erzählperspektive, die Brubaker auch in allen anderen Comics anwendet, funktioniert hier besonders gut, denn man bekommt so direkt Einblick in die Gedankenwelt von Dylan, der selbst nicht weiß, ob der Dämon real ist oder nur eine unterbewusste Manifestation seines eigenen Drangs zu töten. Die Geschichte ist hart und stellenweise unangenehm zynisch, aber ein interessanter Ansatz, die Motivation eines Vigilanten und Antihelden zu erklären, die man so noch nicht gelesen hat. Das Ende kann zudem noch mit einem Schock aufwarten. Eine Verfilmung ist angekündigt. Das Bundle enthält die komplette Serie.

In der Graphic Novel Pulp geht es um den alternden Autor Max Williams, der 1939 in New York seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Westerngeschichten für Pulp-Hefte verdient. Ein Pinkerton-Agent, der es mit dem Gesetz nicht so genau nimmt, erkennt Max als einen gesuchten Räuber von vor 40 Jahren und schlägt ihm vor, noch ein letzes großes Ding zu drehen. Sie wollen das örtliche Büro einer Nazi-Organisation überfallen, von wo aus angeblich containerweise Schwarzgeld nach Deutschland verschifft wird. Pulp ist eine recht geradlinige Krimi- und Rachegeschichte mit einem interessanten Hintergrund über die Nazi-Umtriebe in den USA der 30er Jahre; ein Thema, das bisher eher selten in der Popkultur behandelt wird. In einer einmaligen Graphic Novel bleibt leider kein Platz, das Thema detailierter auszuleuchten. Hier wäre Potential für eine Serie gewesen.

Reckless ist schließlich die neuste Graphic-Novel-Serie des Duos Brubaker und Phillips. Jeder Band erzählt eine abgeschlossene Geschichte aus dem Leben eines Typen names Ethan Reckless, der 1980 in Los Angeles „Probleme“ für andere Leute löst. Gegen Bezahlung versteht sich. Reckless hat ein bischen was von Criminal, nur positiver. Ethan ist eigentlich ein guter Kerl, auch wenn er sich selten an Gesetze hält. Von den bisher drei erschienenen Bänden sind zwei im Humble Bundle enthalten.

Die Comics im Bundle sind in englischer Sprache. In Deutschland sind von diesen Comics leider bisher nur wenige erhältlich. Velvet ist komplett in drei Bänden bei Dani Books erschienen. Kill or be Killed komplett bei Splitter in vier Bänden. Von Fatale hat Panini leider nur die ersten drei Bände rausgebracht, was natürlich sinnlos ist. Dafür sind bei Panini immerhin die ersten sechs Bände von Criminal erschienen. Was von Criminal nach 2011 rauskam, fehlt bisher. Zu guter Letzt ist damals Scene of the Crime von Speed Comics veröffentlicht worden. Diese deutschen Ausgaben sind teilweise vergriffen. Wer daran Interesse hat, muss sich auf dem Gebrauchtmarkt umsehen. Nicht zuletzt gilt daher auch meine Empfehlung, erst mal dieses fantastische Humble Bundle abzugreifen. Mehr erstklassige Comics bekommt man für das Geld nicht.

Ein originelles Zeitreisekonzept

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In Amazing Stories von Oktober 1951 bin ich auf eine Geschichte gestoßen, die ein interessantes Zeitreisekonzept aufweist, das mir bisher noch nicht begegnet ist. Es geht um The Perfect Hideout von Gerald Vance. Bei diesem Namen handelt es sich um das Pseudonym des Autors William P. McGivern , auf dessen Konto zahlreiche Science-Fiction-Geschichten und Drehbücher für TV-Serien gehen.

The Perfect Hideout in Kurzfassung: eine Ganovenbande finanziert einem Wissenschaftler den Bau einer Zeitmaschine, um den großen Coup zu landen und dann in die Zukunft, genauer gesagt 100 Jahre in die Zukunft in das Jahr 2051, zu flüchten. Das Ganze ist recht naiv zusammengewurschtelt und wird noch durch einen unnötigen Nebenplot gestreckt; literarisch ist das wirklich kein großer Wurf. Aber McGivern alias Vance hat sich einen interessanten Twist ausgedacht.

Spoiler: Am Ende der Geschichte begeben  sich die Ganoven in die Zeitmaschine und just in dem Moment, als die Polizei durch die Tür des Labors bricht, rauschen sie davon ins Jahr 2051. Flucht geglückt? Der Professor öffnet von außen die Luke der Zeitmaschine, die daraufhin von einem Polizisten mit gezückter Pistole betreten wird. Im Inneren findet der jedoch nur die skelettierten Leichen der Ganoven. Der Professor erkennt sofort, was passiert ist. Da er die Maschine nicht ausreichend testen konnte, stellt sich erst jetzt heraus, dass man mit der Zeitmaschine zwar in die Zukunft reisen kann, aber die Reise für die Personen in der Zeitmaschine genauso lange dauert, wie der Zeitraum, den man überbrücken will, während für die Außenstehenden überhaupt keine Zeit vergeht. Die Ganoven waren also schlicht 100 Jahre lang unterwegs, was sie natürlich nicht überlebt haben.

Autor Vance hat hier aus der Relativität der Zeit eine schöne Wendung gestrickt. Simpel, aber originell und effektiv. Die tolle Illustration, die mich überhaupt erst auf die Geschichte aufmerksam gemacht hat, stammt von Ed Valigursky. Das bestätigt mal wieder die Theorie, dass die Illustrationen (und natürlich das Cover) von Pulp-Heften extrem wichtig waren, um die Geschichten an den Mann zu bringen. Was mir gut gefällt, ist, wie die Illustration die Auflösung vorweg nimmt. Ohne Kenntnis der Geschichte sieht man eine Maschine, in die am einen Ende Leute reingehen und am anderen Ende als Skelette wegfliegen. Erst nachdem man die Geschiche gelesen hat, erkennt man, dass es sich hier um eine abstrakte Darstellung des Endes handelt.

 

The Boats of the Glen Garrig

Die Funeral-Doom-Band Ahab veröffentlicht nun seit fast einer Dekade mit schöner Regelmäßigkeit alle drei Jahre ein formidabel ausgeklügeltes Konzept-Album, in dem es sich thematisch stets um das Meer dreht. Angefangen hat alles 2006 mit The Call of the Wretched Sea, passend zum Bandnamen basierend auf Melville’s Moby Dick. Es folgten The Divinity of Oceans, basierend auf der wahren Geschichten vom Untergang des Walfängers Essex im Jahr 1820, und The Giant, basierend auf Poe’s Der Bericht des Arthur Gordon Pym.

Als die Band ihr erstes Album veröffentlichte, wurde noch darüber gescherzt, dass eine Band mit diesem Namen und dem nautischen Dauerkonzept, sich womöglich selbst zu sehr limitieren würde. Aber die klassische Literatur bietet genug tolle Seemannsgeschichten. Schon damals dachte ich, dass die Geschichten von Horrormeister William Hope Hodgson eine tolle Vorlage bieten würden. Ahab haben nun tatsächlich auf Hodgson zurück gegriffen und mit dem neuen Album seinen Roman The Boats of the Glen Garrig vertont.

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Die dicht erzählte Gruselgeschichte handelt vom Überlebenskampf einer Gruppe von Schiffbrüchigen, die auf einer Tanginsel auf seltsame Wesen stoßen. Das wunderbare, aber vielleicht einen Tick zu bunt geratene Cover, stammt von Grafiker Sebastian Jerke, der ebenfalls für jeden Song eine eigene doppelseitige Illustration im CD-Booklet gestaltet hat. Dieses wird dankenswerter Weise auch beim Download mitgeliefert (gilt zumindest für amazon.de).

Auch wenn Ahab seit jeher als Funeral-Doom-Band bezeichnet wird, stand ihr dieses enge Korsett noch nie so wirklich. Es ist wahrscheinlich lediglich der Begriff, der am nächsten kommt. Die Einflüsse sind ja zweifellos da, aber wer Funeral-Doom bisher nur als stark begrenztes Genre kannte, in dem möglichst langsam und möglichst verzweifelt monoton rumgeklagt wird, den werden Ahab überraschen. Die Atmosphäre, die Ahab erzeugen, ist einzigartig. Für Funeral-Doom ist die Musik ausgesprochen dynamisch. Über die vier Alben hinweg lässt sich eine Verbreiterung des Genres erkennen. Mehr Klargesang, längere Ambientpassagen und mit „Like Red Foam (The Storm)“ beinhaltet das neue Album gar den schnellsten Song, den die Band bisher geschrieben hat. Eine akkuratere Repräsentation des Ahab-Sounds bietet allerdings der Album-Opener The Isle, der davon handelt, wie die Crew die Insel erreicht.

 

Zufälligerweise habe ich kürzlich eine Sammlung von digitalen Ausgaben des Science-Fiction- und Fantasy-Magazins Famous Fantastic Mysteries heruntergeladen. Dieses amerikanische Magazin erschien zwischen 1939 und 1953, anfangs beim Verlag von Frank Munsey, der sehr großen Anteil an der Verbreitung der Pulp-Fiction-Magazine hatte.

Ausgabe #6 von 1945 enthält als Titelgeschichte Hodgson’s The Boats of the Glen Garrig. Sowohl Titelbild als auch die Innenillustrationen stammen von Lawrence Sterne Stevens. Und da die so fantastisch sind, poste ich alle Illustrationen an dieser Stelle.

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Die Originalgeschichte von Hodgson ist bereits seit geraumer Zeit urheberrechtsfrei und kann zum Beispiel beim Project Gutenberg heruntergeladen werden. Der Künstler John Coulthart hat in seinem Blog einige modernere Illustrationen und Coverbilder zusammengetragen, die ebenfalls einen Blick wert sind.