Tatort im Scope-Format (Teil 2)

Letztes Jahr habe ich mich hier im Blog noch über das breite Bildformat im Verhältnis 2,40:1 des zweiten Frankfurter Tatorts gewundert und ein einmaliges Stil-Experiment vermutet. Vor Kurzem ist der dritte Frankfurter Tatort ausgestrahlt worden (Die Geschichte vom bösen Friederich). Und zwar ebenfalls in 2,40:1. Es scheint so, als wolle man beim Frankfurter Tatort einen Kinolook etablieren. Und in der Tat fällt diesmal nicht nur das breite Widescreen auf, sondern auch die elegante Kamera und die dezent eingesetzten Kameraspielchen.

Gleich zu Beginn sehen wir eine dreieinhalbminütige Steadycam-Fahrt ohne Schnitt, die die zwei Ermittler am Tatort verfolgt:

 

Pointierte Zooms werden eingesetzt (Bilder anklicken für Animation):

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Szenen mit interessantem Bildaufbau (Bilder anklicken für Animation):

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Weitere Screenshots:

 

Serien in Überbreite

Vor einigen Wochen habe ich auf den Tatort im Cinemascope-Format hingewiesen. Der kommende Schweiger-Tatort Off Duty, der im Februar im Kino laufen wird, ist ebenfalls im Format 2.35:1 gedreht, was für einen Kinofilm nicht ungewöhnlich ist.

Die Streamingdienste Netflix und Amazon allerdings, setzen auch bei ihren Serien vermehrt auf ein extrabreites Bildformat. Hier einige Beispiele:

Häufig taucht das Format 2,0:1 auf, das einen guten Kompromiss darstellt zwischen dem Standard-16:9 und dem Scope-Format 2,20:1 oder breiter. Genaugenommen ist es das mathematische Mittelmaß.

Der Kameramann Vittorio Storaro hatte dieses Format bereits 1998 als Idealformat für alle zukünftigen Film- und TV-Produktionen postuliert, um das Seherlebnis auf der Leinwand und dem Fernseher anzugleichen. Er entwickelte eigene Filmstreifen und eine Kameraapertur, und nannte das Ganze Univisium.  Außer ihm selbst hatte aber kein Filmemacher so richtig Lust auf diese Sache.

Heute, in der Zeit von digitalen Filmproduktionen und Streamingdiensten, und einem Kino, dessen Stellenwert innerhalb der Unterhaltungsbranche doch zumindest diskutiert wird, scheint dieses Format wieder attraktiv geworden zu sein. 2,0:1 erzeugt auf einem 16:9-Fernseher nicht zu hohe schwarze Balken, bietet aber im Vergleich zu 16:9-Produktionen mehr Breite für einen ausgefeilteren Bildaufbau.

Erwähnt werden muss auch die neue Netflix-Serie Master of None, die direkt im Kinoformat von 2,35:1 daherkommt. Das ist für eine Fernseh-/Streamingserie schon ungewöhnlich, aber für eine Comedyserie umso mehr. In der Tat sieht die Serie auch ganz fantastisch aus und wirkt technisch betrachtet sehr „kinohaft“.

Dazu gibt es einen Kommentar von Produzent Alan Yang auf reddit:

From the beginning, we wanted it to feel less like most of the single camera comedies that are out there and more like a loose, personal, realistic comedy from the 70’s. A big part of that was the look of the show […]

We pushed really hard for the anamorphic aspect ratio. We did a camera test where it was Aziz’s stand-in Danny looking through some papers. With the regular aspect ratio, it looked pretty boring. But then with the anamorphic ratio, we were like, „What’s Danny looking at? That shit looks interesting as hell!“

Demnach wollte man sich also unbedingt von dem Single-Camera-Look der üblichen Comedyserien absetzen, und orientierte sich stattdessen mehr an den realistischen Komödien der 70er Jahre.

Nicht nur inhaltlich setzen die Streamingdienste Akzente, sondern auch filmtechnisch. Gefällt mir. Ich werde weiterhin ein Auge auf die Bildformate haben und berichten, was sich so tut.

Tatort im Scope-Format

Tatort - Hinter dem Spiegel 1 Tatort - Hinter dem Spiegel 3 Tatort - Hinter dem Spiegel 2 Tatort - Hinter dem Spiegel 6 Tatort - Hinter dem Spiegel 4

Ich schaue gerade den neuen Frankfurter Tatort, Hinter dem Spiegel, und bin einigermaßen über das extrem breite Bild überrascht. Wir sehen hier ein Seitenverhältnis von 2,40:1, also klassisches Kinobildformat.

Der vorherige, und gleichzeitg erste, Frankfurter Tatort lief noch in 1,78:1 (=16:9). Ich nehme an, es handelt sich um ein einmaliges Stil-Experiment. Das ist gelungen, einige Szenen haben durchaus einen schönen Bildaufbau, der durch das breite Bild profitiert.