Kostenlose Bücher vom Hong Kong Film Archive

Das staatliche Hong Kong Film Archive, gegründet 1993, sammelt, archiviert und restauriert Filme, veranstaltet Vorführungen, Ausstellungen und Seminare, und betreibt Recherche und Forschung. In diesem Zuge erscheinen regelmäßig Publikationen in Chinesisch und Englisch, von denen eine ganze Reihe als kostenfreier Download auf der offiziellen Webseite zur Verfügung steht. Für alle, die an der Filmgeschichte Hongkongs interessiert sind, ist das eine lohnenswerte Lektüre. Ein paar Titel seien hier im Besonderen erwähnt.

A different Brilliance – The D & B Story

Dokumentiert ausführlich die Geschichte der Filmproduktionsfirma D & B. Obwohl D & B nur von 1984 bis 1992 aktiv war, produzierte die Firma 67 Filme, darunter wichtige Action- und Comedy-Streifen, Romantisches und Sozialkritisches. D & B entpuppte sich auch für manche als Karriere-Sprungbrett. Vor allem ist Michelle Yeoh zu nennen, die zuvor lediglich in zwei Nebenrollen in Erscheinung trat, bevor sie im D&B-Kracher Yes, Madam! als furiose Action-Aktrice brillierte und zum neuen Star aufstieg.

Bereits ein Jahr nach der Gründung von D & B durch Dickson Poon, John Sham und Sammo Hung, leaste D & B vier große Kinos der Shaw Brothers, wodurch es D & B gelang, sich neben den großen Ketten Gala und Golden Princess auch als Kinobetreiber zu etablieren. Die eigenen Kinos hatten großen Anteil am Erfolg von D & B und halfen der Firma richtig durchzustarten. Alleine im Jahr 1986 produzierte D & B 16 Filme.

Das Buch präsentiert sich als tiefgründige Retrospektive, die nicht nur die Firmengeschichte und einzelne Filme beleuchtet, sondern auch den Filmmarkt und das kulturelle und politische Umfeld der 80er Jahre in Hongkong in die Betrachtung mit einbezieht. Spannend ist beispielsweise das Essay von Kenny Ng, in dem der Autor eine Brücke von den sogenannten „national defence films“, anti-japanische Propaganda-FIlme der 1930er Jahre, zum melodramatischen Kriegsdrama Hong Kong 1941 (1984) von D & B schlägt und en passant darstellt, wie die Identitätskrise und die Zerrissenheit der Bevölkerung vor der Übergabe Hongkongs an China 1997, das Klima schuf, das nötig war, um das entfesselte Kino entstehen zu lassen, für das das Hongkong dieser Zeit bekannt ist.

Abgerundet wird das Buch durch zahlreiche Interviews und Porträts von Verantwortlichen vor und hinter der Kamera. Auf dem Youtube-Kanal des Archivs findet man eine englisch untertitelte Interview-Reihe, auf der das Buch in Teilen beruht.

When the Wind Was Blowing Wild – Hong Kong Cinema of the 1970s

Dieses Buch taucht noch tiefer in die Filmgeschichte Hongkongs ein, speziell die der 1970er Jahre. Dort, wo der Grundstein gelegt wurde, für das „Golden Age“ und die „New Wave of Hong Kong Cinema“.

Das Buch beginnt mit einer Zusammenstellung einer Podiumsdiskusion dreier Filmwissenschaftler, die verschiedene Aspekte beleuchten, die das Kino der 70er Jahre beeinflussten, wie z.B. die sozialen Veränderungen durch die Unruhen in Hongkong 1967 und das stete Aneinderreiben von Osten und Westen, China und Hongkong und Altem und Neuem. Dazu werden Themen wie der Bruch von ästethischen Konventionen durch das Hongkong-Kino und der Einfluss durch die indigene Kultur diskutiert.

Es folgen Essays über den Aufstieg des Fernsehens und dessen Wechselwirkungen mit dem Kino, die Geburt des Polizeifilms und die Regisseurin Shu Shuen Tong. Ein weiteres Essay stellt vier Tranformationsstufen vor, die demnach die kulturelle Revolution des Kongkonger Kinos begründeten: Die vereinigende Wirkung durch kantonesischen Dialog, das Abwerfen von Moral und Kleidung, das Erscheinen der Kung-Fu-Stars und Guangdong-Helden und der Fokus weg von China hin auf Hongkong und die eigenen Geschichten und Traditionen.

Der Großteil des Buches, fast 170 Seiten, besteht schließlich aus Interviews mit Schauspielern und Regisseuren. Wichtige Personen des Kongkong-Kinos kommen hier ausführlich zu Wort, darunter beispielsweise Sammo Hung, Ti Lung, Yeung Kuen und Chia Yung Liu.

Glory Days: When Leslie met Anita

Dieses kleine Heftchen ist anlässlich einer Ausstellung und Retrospektive über die zwei Filmikonen Leslie Cheung und Anita Mui erschienen. Es handelt sich um eine nette Hommage an die beiden, die zusammen in sechs Filmen auftraten, wozu die betörende Geistergeschichte Rouge (1987) gehört, der hier ein Kapitel gewidmet ist. Das Leben von Cheung und Mui nahm für beide 2003 ein tragisches Ende. Cheung beging Suizid und Mui starb an Krebs, was einen großen Einschnitt in der Hongkonger Filmwelt bedeutete.

Exploring Hong Kong Films of the 1930s and 1940s
– Part 1: Era and Film History
– Part 2: Genres, Regions, Culture

Die zwei Bände bieten zusammen auf 450 Seiten einen äußerst detailreichen Einblick in die Hongkonger FIlmgeschichte der 1930er und 40er Jahre. Eine Zeit, von der selbst die eingefleischtesten Hongkong-Filmfans kaum etwas wissen dürften. Die meisten der hier erwähnten Filme sind Englisch untertitelt auch nicht leicht oder überhaupt nicht erhältlich. Trotzdem sind das hochinteressante Bücher, die man zumindest mal querlesen kann.

Zu dieser Zeit war das Kino Hongkongs in hohem Maße sowohl von westlichen Filmen, speziell natürlich aus Hollywood, als aber auch von Filmen aus Shanghai, also Festlandchina, geprägt. Man kann hier auch noch mal ausführlich zu den oben bei D & B erwähnten „national defence films“ nachlesen und wie die japanische Besetzung Hongkongs von 1941 bis 1945 das Filmemachen beeinflusste (Band 1, Seite 116 und Band 2, Seite 264). Action-Fans kommen im Kapitel Nuxia in a Migrating Jianghu auf ihre Kosten (Band 2, Seite 282). Wuxia-, Kung-Fu- und Kampfkunst-Filme haben ihren Ursprung bereits in den 1920er Jahren. Es ist einigermaßen überraschend, dass es auch zu dieser Zeit schon Filme mit weiblichen Helden (Nuxia) gab. Das Kapitel arbeitet diese Ära auf anhand des Regisseurs Yam Pang-nin (auch: Ren Peng-Nian) und der Schauspielerin Wu Lai-Chu, die beide von Shanghai nach Hongkong migrierten und die Nuxia-Tradition in Hongkong mit Filmen wie The Woman Guard, The Lady in Combat, The Lady Protector, Female Spy 76 und Female Robin Hood in den 40er Jahren begründeten.

HKFA Newsletter

Zu guter Letzt muss noch auf die Newsletter hingewiesen werden, die vier mal im Jahr erscheinen. Dort findet man neben Informationen zu den lokalen Aktivitäten des Filmarchivs auch spannende Artikel und Interviews rund um das Hongkong-Kino. Über 100 Newsletter sind bereits erhältlich.

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