Carl Weathers ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Es ist immer wieder ein kleiner Schock, wenn Schauspieler sterben, die mich mehr als das halbe Leben lang begleitet haben. Es klingt abgedroschen, aber es ist einer jener Momente, in denen man merkt, wie schnell die Zeit verfliegt. Aus gegebenem Anlass folgt hier mein kleiner Rückblick auf die für mich relevantesten Rollen von Carl Weathers.
Zum ersten Mal gesehen habe ich Carl Weathers, wie wahrscheinlich die Meisten, in Rocky. Es ist natürlich die Rolle, mit der man ihn sofort in Verbindung bringt. Carl Weathers? Ach ja, genau: Apollo Creed! Als dieser trat er auch in den folgenden drei Rocky-Sequels in Erscheinung.

Rocky 1 bis 4 standen bei mir Ende der 1980er Jahre auf dem Plan. Ich sah die vier Filme relativ zeitnah zusammen. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis mir Carl Weathers in Predator wieder begegnete. Dort sieht man ihn zusammen mit anderen coolen Typen an der Seite von Schwarzenegger den mittelamerikanischen Dschungel per Schusswaffeneinsatz umpflügen. Spätestens jetzt wunderte man sich, ja: ärgerte man sich darüber, dass Weathers nicht bereits eine ähnliche Action-Karriere wie die Kollegen Schwarzenegger und Stallone hatte hinlegen können. Es wäre ihm gegönnt gewesen.

Es ging knackig weiter. Noch während der Dreharbeiten von Predator vereinbarten Weathers und Produzent Joel Silver, eine Art modernen Blaxploitation-Film zu machen. Die Idee zu Action Jackson war geboren. Der Film erschien nur ein Jahr nach Predator und war ein solider Kinoerfolg. So richtig schlug er kommerziell erst auf dem Videomarkt ein. Das Fernsehen sorgte danach für weiteren Buzz. Ich sah den Film zum ersten Mal 1991 auf RTL. Action Jackson ist auch heute noch ein großer Spaß voll köstlicher 80er Jahre Cheesiness. Die Optik, die Musik, die Sprüche, das passt alles. Neben Weathers hat der Film auch eine großartige Restbesetzung bis in die Nebenrollen. Craig T. Nelson, Robert Davi, Billy Duke (kam wohl auch direkt vom Predator-Set), Sharon Stone und 80er Jahre Ikone Vanity. Die wurde zwar für ihr Schauspiel für die goldene Himbeere nominiert, aber sie überzeugt durch andere Qualitäten. Gemeint sind natürlich nicht die körperlichen, sondern die gesanglichen.

Nach dem Erfolg von Action Jackson folgte erwartungsgemäß Action Jackson 2. Das heißt, Moment mal, Action Jackson 2? Das banale Fernsehthrillerchen Dangerous Passion wurde doch tatsächlich in Deutschland von VCL Video als Action Jackson 2 vermarktet. Carl Weathers spielt hier den Sicherheitsexperten Kyle Western. In der deutschen Synchronisation wurde aus Kyle Western einfach Jackson gemacht. Dreister gehts nicht. Jeder, der in Erwartung einer rasanten Action-Jackson-Fortsetzung sich diese Mogelpackung aus der Videothek lieh, wurde bitter enttäuscht. Dies bleibt als eine der großen Titel-Betrügereien der 90er Jahre Videothekenhölle in Erinnerung.
Nach Dangerous Passion drehte Weathers in Australien Hurricane Smith. Dass hier nach Action Jackson eine weitere Filmfigur mit coolem Namen etabliert werden sollte, liegt bei dem Titel auf der Hand. Inhaltlich gibt es durchaus einige Parallelen, aber Hurricane Smith ist deutlich lahmer als Action Jackson und wirkt ausstattungstechnisch und inszenatorisch wie eine Direct-to-Video-Produktion. Erst in der letzten halben Stunde dreht der Film auf und liefert eine wilde, etwas schludrig ausgeführte Schießerei, in der das Blut an Wände spritzt und die Statisten von den Dächern fallen. Das ist recht spaßig, weil unfreiwillig albern. Statt einem großen (B-)Star-Aufgebot wie in Action Jackson, bietet Hurricane Smith lediglich Jürgen Prochnow, der als Bösewicht immerhin einen guten Job macht.
Müssen Beide mit Nachdruck zur Auskunft bewegt werden:


1996 hatte Weathers dann einen ungewohnten Auftritt in der Komödie Happy Gilmore, in der er einen Golf-Trainer spielt, dem von einem Alligator die Hand abgebissen wurde (eine Referenz an Predator, wo der von Weathers gespielte Charakter seinen Arm verliert). Ein großer Adam-Sandler-Fan bin ich nie gewesen, aber der Film gehört für mich zu den sehenswerteren Sandler-Werken. In dem deutlich schwächeren und stellenweise arg nervigen Sandler-Film Little Nicky hat Weathers ein Cameo in der gleichen Rolle.

Ende der 90er Jahre ging ich durch eine kleine Blaxploitation-Phase, in der ich einige Klassiker aus diesem Bereich nachholte. Tarantinos Jackie Brown war daran nicht ganz unschuldig.
Carl Weathers hatte lediglich in zwei Blaxploitation-Filmen eine Nebenrolle. In Bucktown, in dem Fred Williamson sich erst im Charles-Bronson-Stil einer korrupten weißen Polizeieinheit entledigt und es dann mit schwarzen Gangstern zu tun hat, die die Stadt übernehmen, spielt Weathers einen der Ganoven, die für den Gangster-Boss den Baseballschläger schwingen.
In Friday Foster gibt er einen stummen Auftragsmörder, der sich an Pam Grier die Zähne ausbeißt und von Yaphet Kotto in einer sportlichen Hatz über die Dächer zur Strecke gebracht wird. Dies war der letzte Film, den Pam Grier für AIP drehte und daher markiert Friday Foster sowas wie das Ende einer Ära.

Ein Film, der mir noch am Herzen liegt und der so gut wie nie erwähnt wird, weder im Zusammenhang mit Weathers noch sonst irgendwo, ist The Bermuda Depths von 1978. The Bermuda Depths ist einer von drei Fernsehfilmen, die Rankin/Bass, die eigentlich für ihre Stop-Motion- und Trickfilme bekannt waren, zusammen mit den japanischen Tsuburaya-Studios produzierten, die man vor allem durch das Ultraman-Franchise kennen könnte.
The Bermuda Depths ist ein sehr seltsamer Film, der Meerjungfrau-Motive mit japanischem Riesenmonster und alten Seefahrer-Mythen verbindet und dabei populäre Vorbilder wie Der weiße Hai zitiert. Es ist ein romantisch-düsterer Fantasy-Film, der von einer märchenhaft verwaberten Atmosphäre begleitet wird und bittersüß endet, was für einen amerikanischen Fernsehfilm dieser Zeit auch eher ungewöhnlich ist. Der Film bewegt sich mitunter auf grotesken Bahnen und gefällt mir gerade wegen dem Sammelsurium an Ideen. Dazu ist er wunderbar gefilmt und vor malerischer Kulisse auf den Bermudainseln in Szene gesetzt.

Carl Weathers spielt einen Meeresbiologie-Studenten, der mit seinem Freund Magnus und seinem Professor das Geheimnis einer gigantischen Schildkröte ergründet, bei der es sich einer Legende nach um einen Meeresgott handeln soll, der von einer schönen Frau begleitet wird, die einst einen schicksalshaften Pakt schloss, um ihr Leben zu retten.
Die deutsche Fassung dieses Films macht sich so rar, wie die Schildkröte im Film. Unter dem Titel „Es kam aus der Tiefe“ lief der Film zwischen 1999 und 2001 einige Male auf Kabel 1 und ward seitdem nicht mehr gesehen. Eine offizielle deutsche Veröffentlichung gibt es bisher nicht. In den USA ist hingegen eine Blu-ray in exzellenter Qualität erschienen.

Carl Weathers‘ IMDb-Profil listet 80 Schauspiel-Einträge. Neben vielen kleinen und großen Rollen in Spielfilmen und Fernsehfilmen, hat Weathers auch eine stattliche Anzahl an Serienauftritten vorzuweisen. In fünf Jahrzehnten konnte man ihn immer wieder in bekannten Serien sehen so etwa in Kung Fu, Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann, Starsky and Hutch, Tales of the Unexpected in den 70ern, Fortune Dane in den 80ern, Tour of Duty, Street Justice, In the Heat of the Night in den 90ern, The Shield, Emergency Room in den 2000ern und in Psych, Arrested Development, Colony, Chicago Fire/P.D./Justice in den 2010ern.
Hervorzuheben sind die Serien Fortune Dane (1986) und Street Justice (1991-1993). Fortune Dane brachte es leider nur auf 6 Folgen und wurde aufgrund mangelnder Einschaltquoten gecancelt. Die Serie ist aber durchaus interessant als inhaltlicher und konzeptioneller Vorläufer zu Action Jackson. In Deutschland wurde nur die 80-minütige Pilotfolge auf VHS veröffentlicht.

An Street Justice hat man länger Freude. Die Serie kommt auf 2 Staffeln mit 44 Folgen. Unter dem Titel „Das Gesetz der Straße“ lief die Serie in Deutschland erstmals zwischen 1995 und 1999 auf Sat 1 und Kabel 1. Carl Weathers spielt einen Polizisten, der einen jungen Martial-Arts-Kämpfer unter seine Fittiche nimmt, der ihm vor 20 Jahren in Vietnam das Leben rettete. Der hilft ihm im Gegenzug beim Lösen von Fällen. Aus heutiger Sicht wirkt die Serie schon ein wenig angestaubt. Das war die Zeit, in der Drehbuchautoren ihre Helden noch an Vietnam-Flashbacks leiden ließen. Die Serie macht aber durchaus immer noch Spaß. Die Chemie zwischen den Hauptdarstellern stimmt und die vietnamesische/asiatische Thematik, die sich durch die gesamte Serie zieht, nicht nur aufgrund der Martial-Arts-Szenen, bringt Schwung in die Geschichten.

Carl Weathers allerletzte Rolle war schließlich die des Greef Karga in der Star-Wars-Serie The Mandalorian. Das ist nicht die schlechteste Art sich von der irdischen Bühne zu verabschieden. Ich bringe nun nicht den obligatorischen Mando-Spruch „This is the way“, sondern sage einfach nur: machs gut, Carl.


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