Einigen Serien Adieu sagen

Einige Serien, die in der letzten Zeit ihr Ende gefunden haben, möchte ich doch zumindest noch mit einem kurzen Kommentar verabschieden. Schön wars, aber nun ist es vorbei.

Homeland (2011 – 2020, 8 Staffeln)

Zwischen 2011 und 2020 hat es Homeland auf respektable 8 Staffeln gebracht. Die Serie sollte zwar nie wieder die nervenzerreißende Spannung der ersten drei Staffeln erreichen, aber Homeland ist es gelungen, bis zum Ende ein hohes erzählerisches Niveau zu halten. Nebem dem soliden Fundament aus spannungs- und wendungsreicher Erzählkunst, glänzte Homeland vor allem beim Schauspiel und den Figuren. CIA-Officer Carrie Mathison, gespielt von Claire Danes, hat es zur memegekrönten Berühmtheit in der Popkultur gebracht und gehört für mich ganz klar zu einer der interessantesten und komplexesten Fernsehfiguren.

Das Ende der Serie kommt nicht zu früh. Man hätte noch hundert weitere Terrorismus-Stories erzählen können, aber die Autoren haben das Wesen von Carrie bis ins Kleinste ausgelotet. So sehr Homeland eine Serie über Terrorismus, Geheimdienste und das üble Geschäft dazwischen war, so war Homeland auch immer eine Geschichte über Carrie. Deren Geschichte ist zu Ende erzählt. Alles, was jetzt noch käme, wäre Wiederholung. Wie die Serie endet, gefällt mir. Es ist ein bischen fordernd, vielleicht sogar provokant, in der allerletzen Einstellung aber auch versöhnlich. Das passt und lässt mich zufrieden zurück.

Ray Donovan (2013 – 2020, 7 Staffeln)

Staffel 1, Folge 1, Szene 1
Mickey, gespielt von John Voigt, wird aus dem Knast entlassen. Das „It’s a different world out there, Mickey. Good Luck.“ des Gefängniswärters deutet an, dass er eine kleine Ewigkeit einsaß. Mickey wird von einem Typen ohne Namen abgeholt. Schweigend fahren sie im Auto. Mickey starrt aus dem Fenster. Die Stadt zieht vorbei. An einer Kirche steigt Mickey aus, erklimmt die Stufen, bewegt sich gemächlich, aber zielstrebig durch die verwinkelten Gänge, betritt das Zimmer des überraschten Pfarrers, zieht einen Revolver aus der Jacke und steckt dem Pfarrer den langen Lauf in den Mund. „How does it feel, you cocksucker? You like it?“. Der Pfarrer wimmert, Gegenschnitt auf das verzerrte Gesicht von Mickey. Blam!

Was für ein Opener. Es gibt diese seltenen Momente, wenn man nach zehn Minuten weiß, dass man hier genau richtig ist und dass das Folgende einen unmöglich enttäuschen wird. Das war ein solcher seltener Moment für mich; und Ray Donovan hat mich tatsächlich bis zum bitteren Ende nicht im Stich gelassen. Ray Donovan, gespielt von Liev Schreiber, ist ein Problemlöser in Hollywood, jemand, den die Anwälte engagieren, wenn ein Filmstar erpresst wird, ein Model gestalkt wird oder ein Football-Profi eine tote Frau im Bett findet. Ray hat für alles und jeden eine Lösung. Nur gelingt es ihm nicht, seine eigenen Probleme in den Begriff zu bekommen. Sein Vater, der oben erwähnte Mickey, ist nur eines von vielen.

Die Serie, in der sich deprimierende Schwermut mit cooler Leichtfüßigkeit vereint, ist vordergründig eine wundersame Reise in die dreckigen Hinterhöfe Hollywoods und eine Geschichte über die schäbigen Deals in den Büros von Filmstudios, Anwälten und Politkern. Es gibt einige dezent satirische Anklänge. Aber Ray Donovan ist nicht so sehr Dekonstruktion des Hollywood-Mythos, wie man zunächst meinen mag. In erster Linie ist die Serie ein thrillergetränktes Familiendrama, das von seinen Figuren lebt.

Umso schändlicher ist es, wie mit diesen Figuren am Ende umgegangen wird. Die Serie wurde nämlich unerwartet nach 7 Staffeln abgesetzt. Mit etwas Wohlwollen könnte man die letzte Folge als teilweise offenes Ende schönreden. Immerhin wird der Haupthandlungsstrang, der quasi mit der allerersten oben geschilderten Szene seinen Anfang nimmt, recht ordentlich abgeschlossen. Als Zuschauer könnte man nun annehmen, dass zumindest Ray seinen Frieden finden kann. Leider bleiben alle anderen Figuren in der Luft hängen.

Insbesondere in Anbetracht der offiziellen Mitteilung des Fernsehsenders Showtime komme ich nicht umhin, in einen gewissen Zynismus zu verfallen:

After seven incredible seasons, Ray Donovan has concluded its run on Showtime. We are proud that the series ended amid such strong viewership and on such a powerful note.

Wenn die Serie eine so starke Zuschauerschaft hatte, wieso wurde sie dann abgesetzt? „Ended on a powerful note“? Es ist ein verdammter Cliffhanger! Aber gemach. Es gibt Hoffnung. Liev Schreiber selbst kündigte unlägst via Instagram an, dass das Team an einem finalen Film arbeitet! Wann und ob überhaupt der in Produktion geht, steht momentan in den Sternen. Aber ich bin vorsichtig optimistisch, dass diese großartige Serie doch noch ihren verdienten runden Abschluss bekommen wird.

Mr. Robot (2015 – 2019, 4 Staffeln)

Diese Serie ist von Anfang bis Ende ein absolut einzigartiger Trip. Ein Trip in die Gedanken- und Lebenswelt des brillanten, aber unter Angst- und Persönlichkeitsstörungen leidenden Programmierers Elliot, der eines Tages von einer ominösen Gruppe von Hacktivisten rekrutiert wird, um das größte Unternehmen der Welt, die E Corp, zu Fall zu bringen und die gesamte Verschuldung aller Bürger auszuradieren.

Der Serienschöpfer Sam Esmail macht gar keinen Hehl aus der Tatsache, dass ihm Fight Club als die maßgebliche Inspiration für Mr. Robot diente. Inhaltlich und auch filmtechnisch gibt es einige unübersehbare Parallelen zum Fincher-Klassiker. Allerdings sollte man sich als Zuschauer von dieser Nähe schnell wieder freimachen. Esmail hat aus der Essenz von Fight Club ein ganz eigenes gewaltiges Monster sublimiert. Mr. Robot ist sperrig, in Teilen unangenehm, und spielt in einer Welt, die mit schlechten Menschen bevölkert ist. Eine Welt, in der eigentlich niemand leben will. Als Zuschauer stellt man allerdings irgendwann fest, dass diese Welt nur ein verzerrtes Spiegelbild ist und unserer Welt gar nicht so unähnlich ist. Zudem sind die Konsumkritik, das Hinterfragen des Establishments und die Herrschaft der Megakonzerne, Datenschutz und Netzsicherheit, Themen, die aktueller nicht sein könnten.

Esmail hat es geschafft, dies alles verdammt plausibel in eine packende Geschichte zu weben, die einen nicht nur durch außergewöhnlich gutes Storytelling in den Bann zieht, sondern auch mit einem intensiven audiovisuellen Konzept die Synapsen stimuliert. Das ist alles keine einfache Kost. Mitunter ist es vielleicht sogar eine Qual, ganz im Sinne, dass es erst mal wehtun muss, bevor es besser wird. Aber wenn man durchhält und dranbleibt, wird man mit feinster Filmkunst belohnt. Das Finale der Serie ist eine Erlösung, nicht nur für Hauptcharakter Elliot, sondern auch für den Zuschauer. Ein fantastisches Finale. Und am Ende insinuiere ich ganz frevelhaft, dass Mr. Robot vielleicht sogar der bessere Fight Club sein könnte. Vielleicht. Oder ganz bestimmt.

Auf Amazon Prime kann man Sam Esmails Serie Homecoming abrufen, die ich ebenso empfehle, auch wenn sie nicht ganz die überragende Wirkung von Mr. Robot entfaltet. Als nächstes stehen für Esmail Serien über die seltsame Los-Angeles-Ikone Angelyne, den Watergate-Skandal, eine Adaption von Fritz Langs Klassiker Metropolis und eine Battlestar-Galactica-Fortsetzung auf dem Plan. Gutes Zeug, das ich nicht verpassen werde.

Dark (2017 – 2020, 3 Staffeln)

Das Phänomen Dark hatte ich letztes Jahr bereits kommentiert. An meiner Meinung hat sich auch mit der dritten Staffel und dem Ende der Serie nichts geändert. Dark ist eine der sorgsamst erzählten und logischsten Zeitreisegeschichten überhaupt – wenn man der verschachtelten Handlung folgen kann. Die dritte Staffel vollendet die Geschichte auf fantastische Weise. Hier zeigt sich der Vorteil überdeutlich, wenn eine Serie von vorne herein auf eine bestimmte Länge konzipiert ist und die Macher wissen, wie sie ihre Geschichte zu Ende erzählen wollen.

Meine Kritikpunkte bleiben nach wie vor die gekünstelten Dialoge und die Figurenzeichnung. Die Figuren wirken seltsam entrückt. Was eigentlich Sinn ergibt, da die ganze Geschichte entrückt von der Wirklichkeit ist, führt bei mir dazu, dass ich mit den Figuren nicht mitfiebern kann. Die Faszination von Dark speist sich bei mir nahezu ausschließlich durch die Geschichte und wird nur ganz selten durch die Figuren getragen. Im Vergleich zur oben genannten Serie Ray Donovan, in der die Figuren alle larger than life, aber immer greifbar sind, bleiben die Figuren in Dark vage Gestalten. Letztlich kann ich mich damit arrangieren, wenn ich es als Teil des Konzepts sehe.

Dark hat auf jeden Fall die Messlatte für Science Fiction, speziell für Science Fiction aus Deutschland, ein Stück höher gelegt. Die Serienmacher, das Ehepaar Baran bo Odar und Jantje Friese, arbeiten bereits an der nächsten Serie für Netflix. Es war vermutlich keine schlechte Idee von Netflix, die Beiden gleich langfristig an sich zu binden.

The Dark Crystal: Age of Resistance (2019, 1 Staffel)

Nun ist es Gewissheit. Netflix hat die Serie nach einer Staffel eingestellt. Ich glaube, es hat kaum jemand mit einer anderen Entscheidung gerechnet. Die Serie war schweineteuer, so munkelt man, öffentliche Zahlen gibt es nicht, und vor allem unfassbar aufwendig. Zumindest das sieht man in jeder einzelnen Einstellung. Die Detailverliebtheit, mit der die sagenhafte Märchenwelt des Planeten Thra zum Leben erweckt wurde, ist berauschend. Gleichzeitig ist die Serie das beste Beispiel dafür, wie man handgearbeitete Puppen und Modelle mit moderner CGI kombiniert. Ich würde ja am liebsten sagen, das ist die Zukunft. Aber aus Kostengründen werden solche verschwenderischen und zeitaufwändigen Produktionen wohl weiterhin leider die Ausnahme bleiben.

Für mich die schönste Serie des letzten Jahres. In der Tat bin ich gar nicht so verstimmt darüber, dass sie nicht fortgesetzt wird. Vielmehr freue ich mich, dass es überhaupt die erste Staffel gegeben hat. Das ist bei diesem Megaprojekt keine Selbstverständlichkeit gewesen. Und wer weiß, was die Zukunft bringt. Vielleicht ist das nicht das Letzte, was wir vom dunklen Kristall gesehen haben.

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