Seit einer ganzen Weile schon begeistert mich die Comicserie Manifest Destiny von Chris Dingess, der auch als Autor und Produzent im Fernsehserienbereich aktiv ist. Manifest Destiny folgt der berühmten Lewis-und-Clark-Expedition, die als erste Überlandexpedition zur amerikanischen Pazifikküste in die Geschichte einging. Dingess nimmt dieses Stück historische Entdeckertum als Hintergrund, setzt Wegpunkte, die sich an realen Ereignissen orientieren, und lässt dann seiner Fantasie freien Lauf. Manifest Destiny ist eine mit mit viel menschlichem Drama ausgestattete klassische Abenteuer-Geschichte, die ihr Augenmerk deutlich auf die Entdeckung der Flora und Fauna eines unerforschten Landes legt.
Ganz anders als im Falle der realen Entdecker Lewis und Clark, birgt die amerikanische Wildniss für die Protagonisten im Comic nämlich vorwiegend Kurioses und albtraumhaften Horror. Gigantische Pflanzenbögen, die in den Himmel wachsen, säumen die Landschaft, seltsames Moos lässt Menschen zu Zombies mutieren, Zentauerwesen bevölkern die Prärie und Monsterfrösche lauern in den Flüssen. Dieses unerforschte Amerika ist so betörend schön wie tödlich.
Tagebucheinträge von Lewis geben der Geschichte die erzählerische Tiefe. Besonders unterhaltsam wird es, wenn Lewis verzweifelt versucht, seinen obskuren Entdeckungen eine wissenschaftliche Erklärung zu geben, der Leser dabei stets nah dran an Autopsien und Untersuchungen der Tier- und Pflanzenwelt und deren Auswirkung auf die Menschen.
Manifest Destiny ist vor allem so gut, weil der Comic eine gelungene Balance zwischen Abenteuer und Horror hält, und das Ganze mit einer fein dosierten Portion Ironie überzieht. Die liegt schon im Titel begründet: Manifest Destiny ist der Terminus, mit der im 19. Jahrhundert die Amerikaner ihre gottgegebene Bestimmung beschrieben, die Expansion nach Westen weiterzutreiben. Auf diese Hybris wird im Comic auf subtile Weise und mit gewandtem Wortwitz angespielt.
Zu allem Überfluss machen sich hier Lews und Clark auch noch mit einer Horde von Straftätern auf den Weg, die im Grunde nichts mehr zu verlieren haben und die in der Expedition ihre letzte Chance sehen, sich zu rehabilitieren. Deren Geschichte und die Hintergründe der Expedition werden in kurzen Rückblenden erzählt, die sich harmonisch in die Handlung einfügen.
Ins Bild gesetzt wird die Geschichte von Zeichner Matthew Roberts und Kolorist Owen Gieni. Die Zeichnungen sind wunderbar detailert. Besondere Beachtung verdienen die faszinierenden Mimiken der Figuren. Roberts gelingt es mit Leichtigkeit eine große Bandbreite an menschlichen Gefühlsregungen den Figuren ins Gesicht zu zeichnen. Ebenso interessant ist der Bildaufbau mit vielen Nahaufnahmen, verschachtelten Panels und Panels, deren Inhalt von einem Panel ins nächste übergeht. Nicht selten kündigen aufeinander folgende kleine Panels ein großes Ereignis an, welches dann mit einer seitenfüllenden Zeichnung bombastisch aufgelöst wird. Die groteske Story des Comics findet in der bildlichen Darstellung zur Perfektion.
Bisher sind 13 Ausgaben erschienen und laut des Autors soll die Serie noch eine ganze Weile weiterlaufen. Wie üblich bei Image-Comics, erscheinen regelmäßig Sammelbände, die jeweiles 6 Ausgaben zusammenfassen und günstig im Buchhandel zu kaufen sind. Meine Empfehlung!
Weil sie so schön sind, hier die Cover der ersten 12 Einzelausgaben.