Das Programmheft zur deutschen Uraufführung von Reginald Roses Die zwölf Geschworenen an den Münchner Kammerspielen 1958 habe ich in einem Online-Antiquariat entdeckt. Das Heft enthält einige interessante Texte zur rechtlichen und gesellschaftlichen Einordnung des Stücks. Außerdem erklärt Reginald Rose, wie ihn die eigene Erfahrung als Geschworener zu dieser Geschichte inspirierte.




















Als Einleger befand sich noch die Besetzungsliste im Heft, die allerdings fehlerhaft ist. Als Nummer 7 wird Wilmut Borell angegeben. Nummer 7 wurde aber tatsächlich von Mario Adorf gespielt. Borell war gar nicht beteiligt.



Die Aufführung von Die zwölf Geschworenen wurde ein großer Erfolg, und das Stück sollte in der Folgezeit zu einem der am häufigsten gespielten Stücke an deutschen Theatern werden.
Auch Horst Tappert, der hier Geschworener Nummer 5 spielte, beschäftigte das Stück ein Leben lang. Er spielte es an die tausend Mal – und die tausend ist hier wörtlich zu nehmen – auf großen und kleinen Bühnen im ganzen Land, und inszenierte es auch als Regisseur.
Tappert selbst will es gar gewesen sein, der das Stück an die Kammerspiele brachte, da er von der Verfilmung so beeindruckt gewesen sei. Der Intendant der Kammerspiele, Hans Schweikart, wiegelte zunächst ab. Als Kammerspiele könne man es sich nicht leisten einen Film nachzuspielen. Nachdem Schweikart das Stück gelesen hatte, entschied er sich allerdings um. Es war genau das, was er suchte.
Horst Tappert bezeichnete Die zwölf Geschworenen als „eins der besten Theaterstücke des Jahrhunderts“. In seinem Buch Derrick und ich. Meine zwei Leben. (Heyne, München 1998) erklärt er:
„Der beste Beweis, wie man Menschen trotz Fernsehen und anderer Ablenkungen immer wieder für das Theater als einmaliges, so nicht wiederholbares Live-Ereignis begeistern kann, ist für mich das Drama Die zwölf Geschworenen von Reginald Rose. Jeder kennt den Film von Sidney Lumet mit Henry Fonda in der Rolle des Außenseiters, der am Ende die elf anderen von ihrem Schuldspruch abbringt: Im Zweifel für den Angeklagten […]
Bei den Theaterdramaturgen steht das Werk heute nicht mehr so hoch im Kurs. Es ist nicht avantgardistisch, nicht spektakulär, nicht schockierend. Es hat keinen Show-Wert […] Es mag der Literatur keine neuen Wege eröffnet haben, mag einige Klischees benutzen. Doch kaum ein anderes Stück zeigt so plastisch und glaubhaft, so schlicht und unaufdringlich, nach welchen hintergründigen Regeln Auseinandersetzungen in einer Gruppe von Individuen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und mit verschiedenen Lebensgeschichten ablaufen.
Auf den ersten Blick haben sie eine klar definierte Aufgabe. Sie sollen aufgrund der Beweislage möglichst objektiv entscheiden, ob ein Sohn seinen Vater erstochen hat oder nicht. Schon nach den ersten Wortwechseln stellt sich heraus, dass die meisten nicht gewillt sind, sachlich-juristisch zu denken. Unwillkürlich verknüpfen sie die Tat mit ihrem eigenen Schicksal, urteilen nicht nach den Inidizien, sondern nutzen das Verbrechen als Beweis für ihre eigenen Vorurteile. Sie diskutieren nicht um die Wahrheit, sondern beginnen miteinander zu streiten […] Das Fazit: Alle Menschen können sich irren. Zur Erkenntis der Tatsachen führt nur die Vernunft, nicht das Gefühl.“

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